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Frau Schlampe hat Stil
Samstagabend kam Berliner Flair nach Lübbenau
Kennen Sie Frau Schlampe? Die, die so Chansons singt, von Berlin und vom Leben? Nich, na so eene trifft man och nich so oft, so eene mit Würde und denn noch dass se sich im Leben auskennt, nich nur in ihrem, nee och im Leben der anderen um mal mit den Worten der Frau Schlampe zu reden. Nives Kramberger trat Samstagabend im Kieselstein in Krimnitz/Lübbenau auf.
Sie kann das natürlich viel besser, das Tratschen (neugierig ist sie nicht, aber man hört eben alles aufm Hinterhof, kann sie nichts dafür), und das Geschichten erzählen, natürlich berlinert sie und nimmt kein Blatt vorm Mund, und natürlich nimmt es ihr niemand übel.
Im Gegenteil, das Publikum lässt sich von Frau Schlampe in ihre Welt der Berliner Vorder- und Hinterhäuser entführen, in die Zeit der Goldenen Zwanziger, die so lange her nicht scheint.
Frau Schlampe hat Stil, sie versteht es, sich in die Herzen ihrer Zuhörerinnen (die Herzen der Zuhörer liegen ihr längst zu Füßen) zu singen, Frau Schlampe hat Würde und ihr Chansonprogramm Klasse. Dass sie ihr Publikum begeistert, hat mit der Professionalität ihrer Darstellerin zu tun: Nives Kramberger, die Schauspielerin, die diese Rolle spielt als wäre es ihr Leben, die diese Rolle mag, weil sie eine ist, die ein freies Leben liebt. Es ist, als ob sie die Lust auf Leben weitergibt.
An ihrer Seite Sylvia Löchner, „meene Jule”, die mit ihrem Akkordeonspiel nicht nur Frau Schlampe verzaubert.
Diese singt sich alles von der Seele, mal laut, mal leise, mit einer Stimme die manchmal Gänsehaut macht. Sie läßt kaum ein Gefühl aus, glücklich, trotzig, traurig, von kindlich naiv bis frivol und „. . . mit einem Schwung ins Ordinäre”. Sie stampft mit den Füßen, tanzt, umschwärmt, fordert heraus mit Worten und mit Blicken. Sie reißt die Arme hoch und denkt nicht daran, sich wegen ihrer Achselhaare zu genieren, sie läßt der Natur freien Lauf, „da sehn die Leute wat da is und nich wat fehlt!” Sie singt von Spießern und Kriechern: „es jibt Karrjeren die gehn durchn Hintern . . .”, von HerzSchmerz und Sehnsucht, läßt den Tod nicht aus und auch nicht die Ballade von der Judenhure Marie Sanders. Sie singt vom Happy End: „. . . det is immer so scheen, da muss ick immer heulen . . .”
Wenn sie dann fröhlich verkündet: „ick liebe eenen Mann, ick weeß bloß noch nich welchen” und dabei ist, sich den Richtigen im Publikum zu suchen, da wird's doch manch einem starken Mann nicht nur warm ums Herz, sondern auch weich in den Knien. Sie weiß, wie Frau es macht, sie wickelt die „Herrlichkeiten” um ihren kleinen Finger, ohne dass sie es merken, und gerade wenn sie denken, sie haben gewonnen kann alles schon wieder ganz anders sein. So ist das Leben und darauf ein Prösterchen.
(Von Marlies Siegert, Lausitzer Rundschau)
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